Auf das ganze Jahr betrachtet, decken erneuerbare Energien in Summe etwa 65 Prozent des Stromverbrauchs in Deutschland ab. Allen voran Windkraft und Photovoltaik. Allerdings verteilt sich das Angebot an Erneuerbaren nicht gleichmäßig über die Monate hinweg. Besonders im Herbst und Winter – wie in diesem Jahr – kann es vorkommen, dass weder ein laues Lüftchen weht, noch die Sonne zum Vorschein kommt. Kurz gesagt, es herrscht dann Dunkelflaute bei den erneuerbaren Energien. Konventionelle Energieträger müssen in die Breche springen, um die Lücke zu füllen.
Im Sommer hingegen produzieren Solaranlagen in einigen Teilen Deutschlands schon so viel Strom, dass die Stromnetze beinahe im wahrsten Sinne des Wortes aus allen Nähten platzen. Aus diesem Grund erfolgt ab 2025 der verpflichtende Einbau von Smart Metern für Besitzer einer PV-Anlage mit einer Leistung von mehr als 7 kWp. Damit können Versorger in der dunklen Jahreszeit Geräte mit hohem Stromverbrauch – Wärmepumpe, Wallbox usw. – herunterregeln, wenn wenig Strom am Markt zu Verfügung steht. Umgekehrt können sie PV-Anlagen abschalten oder zumindest die Einspeisung des Stroms verhindern, um die Netzstabilität zu gewährleisten. Zudem findet gerade die Diskussion darüber statt, die Einspeisevergütung bei negativen Strompreisen auszusetzen oder vielleicht sogar gänzlich abzuschaffen.
Um das Netz bei einem Stromüberschuss zu stabilisieren und im umgekehrten Fall einen Puffer für die Dunkelflaute bereitzustellen, eignen sich Batteriespeicher. Viele Besitzer einer Solaranlage können ein solches Gerät ihr eigen nennen. Sofern die Sonne ausreichend scheint, wird der Speicher geladen. Und bei Bedarf wieder entladen. Herrscht jedoch Dunkelflaute, bringt auch ein Speicher nicht viel. Es denn, er kann in Verbindung mit dynamischen Tarifen Strom aus dem Netz laden, wenn dieser gerade günstig am Strommarkt gehandelt wird.
Elektroauto als Speicher für die eigenen vier Wände
Oder ein größerer Speicher muss her. Wobei bei vielen Besitzern einer Photovoltaikanlage ein potenzieller Stromspeicher bereits in der Garage steht. Denn im Vergleich zu herkömmlichen Speichern im Haus, die selten wesentlich mehr als eine Nettokapazität von 10 kWh aufweisen, können die Batterien von Elektroautos viel mehr Strom aufnehmen und wieder abgeben. So besitzt der Speicher eines Dacia Springs bereits eine Kapazität von 27 kWh. In der Mittelklasse kann ein neuer ID.3 von VW eine Batterie mit mindestens 58 kWh in den Ring werfen. Und bei großen Fahrzeugen nähert sich die Kapazität der Speicher schon der Marke von 100 kWh an. Zugleich konzentriert sich die Forschung stark auf die Entwicklung neuer Technologien, die die Produktion von Batterien mit einer höheren Energiedichte für elektrisch betriebene Fahrzeugen ermöglichen.
Warum also nicht die Batterien von E-Autos als Speicher nutzen? Um in Zeiten des Stromüberflusses das Netz zu stabilisieren oder im Falle einer Dunkelflaute die Geräte in den eigenen vier Wände zu betreiben. Grundsätzlich erfüllen zunehmend mehr E-Autos die dafür erforderlichen Voraussetzungen: das bidirektionale Laden, bei dem der Strom in zwei Richtungen fließen kann. Zum einen in den Batteriespeicher des Fahrzeugs und zum anderen wieder zurück. Dafür muss an Bord des Autos ein Wechselrichter installiert sein, der den Gleichstrom des PKWs zu haushaltsüblichen Wechselstrom umwandeln kann. Genauso umgekehrt.
Vehicle-to-Home (V2H) und Vehicle-to-Grid (V2G) als Lösung
Im besten Fall beherrscht das E-Auto die drei Arten des bidirektionalen Ladens: Vehicle-to-Load (V2L), bei dem elektrische Geräte über eine Steckdose betrieben werden können. Vehicle-to-Home (V2H), bei dem die Energie über eine Wallbox wieder im Stromnetz eines Hauses landet. Und als letztes Vehicle-to-Grid (V2G), bei dem der Strom ins öffentliche Netz eingespeist wird. Letzteres beherrschen im Moment noch die wenigsten E-Autos. Angewendet in großem Stil, könntenV2H und V2G dazu beitragen, Schwankungen im Stromangebot aus erneuerbaren Energien ausgleichen. Und damit eines der großen Probleme der Energiewende lösen.
Ein aktueller Test von GWAdriga, einem Gateway-Administrator, dem Verteilnetzbetreiber EWE Netz und weiteren Partnern zeigt, wie das funktionieren könnte. Zwar ging es in dem Versuch unter realen Bedingungen lediglich darum, Elektroautos so zu laden, dass diese das vorhandene Angebot an Strom aus Erneuerbaren optimal ausnutzen. Dennoch konnten die Beteiligten zeigen, dass E-Autos mit entsprechenden technischen Lösungen als Puffer in die Stromnetze integriert werden können. Und damit auch als Speicher für die Solaranlage zu Hause auf dem Dach. Bis zur Marktreife für die breite Masse wird es wohl noch eine ganze Weile dauern.